Kann ich meine Führungskraft coachen?
- Judith Andresen
- 27. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Juni
"Die bräuchten echt ein Coaching", murmelt der*die agile Coach*in, als er*sie von der letzten Entscheidung hört. Das hatte er*sich anders vorgestellt. Jenseits der Selbstbeauftragung, die in diesen Worten liegt, stellt sich auch die Frage: "Wie funktioniert gutes, internes Coaching von Führungskräften?"
Was gutes Coaching ausmacht
Coaching funktioniert dann gut + liefert messbare, exzellente Ergebnisse, wenn Coaches + Coachees eine gute Bindung haben, wenn Coaches in klarer Haltung agieren + passende Methoden unterstützend einsetzen.

In den Aspekten "Bindung" + "Haltung" können für Coaches besondere Herausforderungen in Bezug auf ihre Eigenanteile liegen. Eigenanteile können durch die darin liegenden Erfahrungen, Erlebnisse, Muster, Emotionen + Bedürfnisse die Qualität des Coachings negativ wie positiv beeinflussen.
Bindung zu einer Führungskraft aufbauen
Im psychologischen Sinne beschreibt Bindung die sichere, verlässliche Beziehung zwischen zwei Menschen. Sie entsteht durch Zuwendung, Resonanz + Verlässlichkeit. Wenn sich Coachees sicher fühlen, öffnen sie sich. Wenn sie sich gesehen fühlen, reflektieren sie tiefer. Und wenn sie sich angenommen fühlen, gehen sie neue Wege. Das gilt für Mitarbeitende genauso wie für Führungskräfte.
Eine gute Bindung im Coaching basiert nicht auf Nähe oder Freundschaft, sondern auf emotionaler Sicherheit + professioneller Beziehungsgestaltung.
Neben der Haltung ist Bindung entscheidender Wirkfaktor im Coaching. Bindung zu einer Führungskraft aufzubauen, heißt, sich zuzuwenden, in positive Resonanz zu gehen + verlässlich zu agieren. Für viele Coaches ist der Bindungsaufbau zu Führungskräften eine besondere Herausforderung, weil sich die Eigenanteile der Coaches melden.
In klarer Haltung agieren

Erfolgreich zu coachen, heißt in klarer Coachinghaltung zu agieren. Diese lässt sich mit den Punkten
Empathie gegenüber allen Beteiligten
Distanz zur Sache
Dissoziiertheit zum System
beschreiben. In dieser klaren Haltung fällt es Coaches leicht, ihre Coachees in ihrer Veränderung zu begleiten.
Sind die Coachees Führungskräfte, können sich Eigenanteile der Coaches in Bezug auf deren Erfahrungen + deren Sicht auf Führung einmischen: "Sie sagt, sie will das nur das Beste für die Mitarbeiter*innen + die Organisation. Das habe ich auch mal gehört. Und das Ergebnis war unfair + hoch verletzend für mich." oder "Er sagt, er wünscht sich, dass die Konflikte sich zwischen den Beteiligten einfach so lösen. Er möchte sich nicht aufdrängen. Das kann ich total nachvollziehen, ich möchte auch nichts Übergriffiges durch meine*n Chefin erleben."
Wenn die Eigenanteile die Coaches in die Unklarheit bringen, kann dies das Aufstellen von Coachinghypothesen gefährden. Oder die Coachees verlieren durch ihre Eigenanteile den Zielraum der Führungskräfte + damit ihren Auftrag an sie selbst aus den Augen.
Dieser Haltungsverlust wird wahrscheinlicher, je näher + stärker die Führungskraft auch in anderen Momenten der Arbeit für den*die Coach*in spürbar wirkt. Die eigene Führungskraft zu coachen, wird nur gelingen, wenn der*die Coach*in sich seiner Eigenanteile bewusst ist, sich bewusst von der möglichen Lösung (die ja auch den*die Coach*in betreffen kann) distanzieren kann, dabei ebenfalls bewusst sich dissoziiert zum System verhalten kann + dabei die Empathie zum Gegenüber gut halten kann. Das ist im Prinzip eine nicht-lösbare Herausforderung!
Methodisch annehmbar arbeiten

Der letzte Wirkfaktor für erfolgreiches Coaching ist die Methodenwahl. Dieser Wirkfaktor ist deutlich geringer als die Bindung + die Haltung. Wenn Bindung + Haltung nicht stimmen, wird eine spezielle Methodenwahl für keinen Coachingerfolg sorgen.
Bei der Methodenwahl sollten Coaches darauf achten, dass sie keine Methoden wählen, die für die Führungskräfte, also die Coachees, nicht annehmbar sind: "Ich habe das Gefühl, dass wenn ich hier meine Stimmung mit Postkarten assoziieren soll, dass ich im Kindergarten bin! So löse ich nicht die wirtschaftlichen Probleme meines Unternehmens!"
Coachen von Führungskräften - so gelingt es Dir!
Arbeite aktiv an Haltung + Bindung zu den Führungskräften + nutze für die Beteiligten gut annehmbare Coachingmethoden.
Besonders wirksam wirst Du als Coach*in von Führungskräften werden, wenn Du Dein Wissen über das System nutzt + Dich gleichzeitig von einer möglichen Lösung distanzieren kannst + mit einem guten Blick auf das System Werte, Normen + Regeln in den Möglichkeitsraum Deiner Coachees bringen kannst.
Insbesondere in Fällen, wo Du eine mögliche Selbstbeauftragung spürst, untersuche + kläre Deine Eigenanteile. Suche Dir ein Setting, in dem es Dir leicht gelingt, Bindung aufzubauen + einer klaren Coachinghaltung zu agieren. Das wird Dir wahrscheinlich bei Führungskräften, bei denen Du nicht in direkter Berichtslinie stehst, leichter gelingen als bei direkten Führungskräften.
Ein klarer Coachingauftrag schützt Dich vor Rollenunklarheit + Selbstbeauftragung. Kläre mit Deinen Coachees, den Führungskräften: "Was genau soll hier entwickelt werden – und warum gerade jetzt?"
Die Kenntnis + Deine täglichen Beobachtungen des Systems der Führungskraft wird Dir tiefe + wirkungsvolle Coachinghypothesen eröffnen. Mache Dir daher Deine Eigenanteile klar - nutze hierfür gezielt Super- + Intervision, damit Du diese wirkungsvolle Tiefe ausschöpfen kannst.
Alles, was Du weißt + kannst, um Teams in Richtung ihres Zielraums zu begleiten, gilt genauso für Teams von Führungskräften. In vielen Fällen liegt für die Organisation ein großer Hebel darin, wenn die Führungskräfte im Team führen. Wenn Deine Coachees auf der Suche nach einer besseren Führungswirkung sind, könntest Du sekundärberatend den Lösungsraum in diese Richtung öffnen.
Folge dem Motto meines geschätzten Kollegen Tobias Ranft, um Deine Fähigkeiten in der Teamentwicklung + dem Erfüllen von Aufträgen aus Produkt- und Service-Teams auf Teams von Führungskräften zu transferieren:
"Ein Team von Führungskräften ist auch nur ein Team"
Wenn die Coachinganfrage von einer einzelnen Führungskraft ausgeht, sorge für Dich, so dass Du mit einer guten Bindung, in klarer Haltung + passenden Methoden coachen kannst.
Dann gelingt internes Führungskräftecoaching – und entfaltet mehr Wirkkraft, als es externes Coaching an dieser Stelle je könnte.