
Ein Roman über "Homo [sapiens] recens", über den jetzt lebenden Menschen, sollte es werden. Charakterisiert durch eine klare, aufrechte, intelligente Frau - eine Frau, die Greta Garbo verehrt und zum Teil kopiert. Aber diese Protagonistin mordet.
Der Autor meldet sich daher in einem Kapitel des Romans, später in weiteren Kapiteln, zu Wort. Er ist von Schuldgefühlen geplagt. Die von Greta im Roman erfolgten Morde scheinen real zu sein, zu geschehen. Männer werden vermisst. Ein Mord ist dann perfekt, wenn es keine Leichen, keine Indizien, keine Spuren gibt - die Morde geschehen im Roman, im realen Leben verschwinden drei Männer: der perfekte Mord.
Ein postmoderner Roman zeichnet sich dadurch aus, dass er schwer (bisweilen gar nicht) nachzuerzählen ist. Jan Kjaerstads Homo falsus oder Der
perfekte Mord fällt in diese Kategorie, wenn er nicht sogar der Roman der Postmoderne ist. Und so verwundert es nicht, dass wiederum Greta an einem Text über einen Autoren
schreibt und über dieses Schreiben seine Wirklichkeit beeinflusst: ein literarisches Möbiusband zeigt sich.
Wer Spaß an Wortspielereien und an Sprache allgemein und der Frage hat, was eigentlich Fiktion und was Wirklichkeit ist, der findet in "Homo falsus" den richtigen Text.
Die Lektüre erinnerte mich lebhaft an den Filmgenuss Der Koch, der Dieb, seine
Frau und ihr Liebhaber: wiederkehrende Muster und Bilder gilt es zu entdecken und für sich zu interpretieren. Derer gibt es viele: schwarz-weiße Bodenfliesen, ein Geistlicher, ein Jurist und
ein Militär als Mordopfer, dessen Vater bzw. Großvater, um jeweils durch einen Straßenzug ergänzte Stadtpläne von Oslo, Mandalas, Mosaike, Briefe besonderer Art und immer ein Vermächtnis, das zu
einem Schatz Napoleons führen soll.
Dieser Roman ist eine Herausforderung - man wähnt sich in einer Spirale gefangen. Die Meta-Fiktion besticht. Im Kern setzt sich der Roman mit der Macht von Sprache auseinander. Durch die
spiralförmige Ineinanderkettung verschiedener Wirklichkeiten wird die Frage nach Wahrhaftigkeit - und nach Lüge - immer wieder gestellt. Gleichzeitig findet eine intensive Auseinandersetzung mit
diversen Textgattungen (wie Lexika-, Prosatexten oder wissenschaftlichen Abschlussarbeiten) statt.
Der Text ist ein Genuss, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Es ist ein Text, der sicherlich eine Entdeckung beim ersten Lesen ist, der aber verspricht, bei einem zweiten Lesen nicht nur
eine Wieder-Entdeckung, sondern auch eine Neu-Entdeckung zu werden. Ich freue mich darauf.