
Ansgar Jørgensen erfüllt im Rahmen seiner Ausbildung ein halbjähriges Praktikum auf der dänischen Ostsee-Insel Lilleø. Auf der kleinen Insel hat es seit 200 Jahren keinen Mord gegeben. Kurz nach Jørgensens Ankunft verstirbt ein Schafbauer auf dem Feld - ein Herztod? Oder Giftmord durch Medikamente? Ein anonymer Hinweis bringt Jørgensen auf den Weg.
Geschichten, die wie diese beginnen, weisen mit langen Fäden in die Vergangenheit, die mittels verschrobener Typen oder Psychopathen ihren Weg in die Gegenwart finden und dort in Mord oder
zumindest Todschlag eskalieren.
Die Instrumente
des Herrn Jørgensen gehen sich genauso an.
Ein junger Kriminalassistent soll in einem halbjährigen Praktikum die "Inhabitanten" der kleinen Insel studieren und lernen, wie sich das Polizistenleben auf dem Lande anfühlt. Als der
Schafsbauer Hans Larsen auf seinem Hof tot zusammenbricht und ein anonymer Anrufer von "Mord" spricht, nimmt Jørgensen zaghaft die Ermittlungen auf. Er bringt damit Unruhe in das beschauliche
Inselleben, welches er in langen Fragebögen zu beschreiben hat - eine Aufgabe, die Jørgensen nicht schätzt und ungewöhnlich löst. Der Inseldäne, so lernt der Leser, ist klar und ruppig - und
stößt diejenigen aus, die sich nicht an die Spielregeln halten. Das trifft vornehmlich denjenigen, der des Mordes bezichtigt wird. Gleichzeitig fühlt Ansgar Jørgensen die Fäden der Vergangenheit.
Sein Vorgesetzter Malte Hansen gibt ihm die Aufgabe, das alte Polizei-Archiv, das vorwiegend Unterlagen von Maltes Vorgänger Kirstein enthält, zu ordnen. Jørgensen versenkt sich in alte Akten und
gesichertes Beweisgut und versucht Ordnung in die Anhäufung dieser Gegenstände zu bringen. In Kirsteins Zeiten wurde ein Engländer auf der Insel in einer Sturmnacht von einem Ast erschlagen.
Kirstein vermutete damals Mord, konnte dies aber nicht beweisen. Mit einigen Jahrzehnten Verspätung widmet sich auch Jørgensen dieser Theorie und kann hierzu neue Erkenntnisse beitragen. Der
Engländer kam auf die Insel auf der Suche nach einem Schiff, dass im Nor gesunken sein soll. Eine Sage, der auch Jørgensen begegnet. Diese scheint auf eine unheimliche Weise wahr zu sein, und
dieses Schiff scheint in Verbindung mit den aktuellen Begebenheiten zu liegen.
Am Ende beinhalten die 570 Seiten Text eine Auffrischung historischen Wissens, warum das schwedische Köngshaus den französischen Namen Bernadotte trägt. Auf dem Weg dahin gibt es viele liebevolle
Schilderungen des ruhigen, dänischen Lebens auf einer der 500 Inseln des Landes. Da wirkt selbst der Kriminalassistent aus Kopenhagen manchmal ein wenig hektisch. Der löst dann auch einen
Mordfall. Und zwar den letzten, den es auf der Insel gegeben hat.
Georg Jonathan und Richard David Precht legen mit "Die Instrumente des Herrn Jørgensen" einen epischen, manchmal sagenhaften (und dann auch zu langatmigen) Roman vor, der weder die Vorsilbe
"Kriminal-" noch die Vorsilbe "Historien-" verdient. Es ist eine lange Geschichte über einen Sommer auf Insel Lilleø, während dessen ein junger Kriminalassistent aus Kopenhagen einer Sage
nachgeht, ein Archiv aufräumt, Käfer und Pflanzen für seine Verlobte sammelt, eine sehr alte und eine aktuelle Geschichte klären kann. Das Ganze geschieht in sehr entschleunigter Form. Der Sommer
ist lang, und auf mehr als 500 Seiten werden diese Handlungsstränge aufgenommen, erzählt und zum Teil phantastisch verwoben. Gerade diese Passagen sind lang ausgefallen und hatten der kritschen
Bearbeitung des Lektoren bedurft. Die Entschleunigung zum Stilmittel für Texte durch langatmige Passagen zu erheben, ist zumindest fragwürdig.
Für Liebhaber der nordischen Geschichte und des skandinavischen "Way of life" ist "Die Instrumente des Herrn Jørgensen"
ein interessanter Roman, der liebevoll die beschauliche Stimmung auf einer der vielen kleinen dänischen Ostseeinseln einfängt und plätschernd die Entdeckungen eines jungen Kriminalassistenten
schildert. Diese sind viel kleiner, als der Romanbeginn vermuten lässt, und gleichzeitg viel größer als die Erwartungen des Lesers.
Dieser Blog-Post ist ein privater Beitrag von Judith Andresen.