In meinem Kollegium befinden sich neben vielen Deutschen auch Schweizer, Engländer, Franzosen und Amerikaner. Eigentlich verstehen wir uns gut, manchmal verstehen wir uns gar nicht. Wer kennt es nicht, dieses Gefühl, dass um einem herum der Irrsinn tobt und man selbst gar nicht so genau weiß, warum der Rest eigentlich komplett irrational handelt? Und man das Gefühl vermittelt bekommt, das Problem gehe von einem selbst aus?

An der Stelle vermisste ich bisher immer so etwas wie eine Betriebsanleitung für dem Umgang mit meinem Gegenüber. Understanding cultural differences stammt aus dem Jahr 1990; das
Autoren-Paar Edward T. Hall und Mildred Reed Hall beschreibt und analysiert das Verhalten und Gebaren deutscher, amerikanischer und französischer Führungskräfte im Vergleich.
Nach einem jeweils wirklich sehr kurzen historischen Überblick werden die deutsche, die französische und die amerikanische Kultur dargestellt. Im Anschluss daran wird herausgearbeitet,
welche Einflüsse die unterschiedlichen Gesellschaften und Kulturen auf das Verhalten von Führungskräften und Angestellten in den jeweiligen Ländern hat. Die Autoren tätigen klare Aussagen. Zu
jedem der vorgestellten Länder wird von ihnen eine Liste von "Do's" und "Don'ts" formuliert. So lernt der geneigte Leser z.B. über Vorträge in Deutschland: "[...] Conversely, beginning a speech
with a presentation of the historical background of an issue - which is done frequently by German speakers - would bore an American audience to tears."
Die Beschreibung der (west-) deutschen Befindlichkeit und wirtschaftlichen Situation (rund um 1990) trifft natürlich nicht immer die Situation von heute. Die Fazite sind dennoch prägnant, und sie
passen im Prinzip auch heute noch. So stellen die Autoren z.B. auch negative Auswirkungen bestimmter Einstellungen und landestypischer Verhaltensweisen in den drei Ländern vor. Selten las ich
eine so kompakte Darstellung des Zusammenhangs zwischen nur kurzfristig wirkenden Management-Entscheidungen, dem Druck zu Quartalszahlen, fehlender Loyalität zum Arbeitgeber und der
amerikanischen "Hire-and-Fire"-Mentalität.
Understanding cultural differences identifiziert landestypische Verhaltensweisen als solche (und in sehr verallgemeinerter Form begründen die Autoren diese auch). Damit erfüllt dieses
Buch in gewisser Weise meine Hoffnung auf eine Handlungsanweisung zum Umgang mit einem internationalen Kollegium.
Die Autoren haben nicht den Anspruch, vollständig zu deuten. Das kann ein Taschenbuch von 200 Seiten auch nicht leisten, dennoch ermöglicht dieser Text einen (womöglich ersten) offenen Zugang zum
interkulturellen Lernen.
Viel Lesevergnügen!