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Bücherstapel (Einrichtung des Seminarliegers VILLA HENRIETTE)

"Disagree + Commit": sich mit voller Kraft einbringen trotz anderer Meinung

Aktualisiert: 17. Sep.

Viele selbstorganisierte Teams + Organisationen versuchen im ersten Anlauf alle Entscheidungen im Konsens zu treffen. Schließlich können so die Beteiligten die Frage umgehen, ob + welche andere Art von Hierarchie sie eigentlich haben und welche Entscheidungsformen und/oder -kräfte sie in Summe nach vorne bringt.


Der Konsens dauert, und insbesondere in komplexen + chaotischen Umgebungen wird es systemimmanent den Beteiligten schwerfallen, einen echten Konsens zu finden. Im Ergebnis ziehen sich Entscheidungsprozesse in die Länge.


Der Ausweg aus der Konsensfalle ist Disagree + Commit. Auf Wikipedia könnt Ihr dazu lesen (zuletzt: 04/2025):

"Disagree and commit is a management principle that individuals are allowed to disagree while a decision is being made, but that once a decision has been made, everybody must commit to implementing the decision. Disagree and commit is a method of avoiding the consensus trap, in which the lack of consensus leads to inaction."

Für Menschen, die gerade in der Konsensfalle stecken, ist das nicht leicht zu nehmen. Wenn Ihr doch um den Konsens + die eine richtige Entscheidung ringt, wie soll ich mich dann einer Umsetzung zustimmen, deren zu Grunde liegende Entscheidung ich nicht befürworte?


Wie genau das im Tagesgeschäft "disagree + commit" funktioniert, darum soll es heute gehen.


In die Konsensfalle tappen selbstorganisierte Teams leicht

Hellblaue Comic-Figur mit einer Denkblase, darin ein ein rotes Kreuz (als Symboil für "nein")

Wenn die Beteiligten um einen Konsens ringen, ringen sie um die beste Lösung. Doch ein echter Konsens ist schwer zu erreichen – aus gutem Grund.


In Teams treffen unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen + Bedürfnisse aufeinander. Jeder Mensch bringt ein individuelles Bild von „richtig“ und „falsch“ mit. Dieses Bild ist geprägt durch Rolle, Verantwortung, Kompetenzen – aber auch durch persönliche Werte + Erfahrungen.


In komplexen Situationen gibt es nicht die eine objektiv richtige Lösung. Komplexe Systeme sind mehrdeutig. Also gibt es mehrere sinnvolle Lösungswege – je nach Sichtweise. Ein Konsens also gar nicht zu finden.


Unterschiede zu überbrücken, kostet Zeit + Energie. Es braucht echtes Zuhören, sorgfältiges Abwägen + viel Geduld. Wenn sich dieser Punkt mischt mit Konfliktvermeidung ("ich mag meinen Punkt nicht benennen") oder Unsicherheiten ("mein Bauch sagt mir, dass das falsch ist, ich habe aber kein sachliches Argument dagegen") stecken Teams in der Konsensfalle.

Das Team wird sich nicht für etwas entscheiden können, es wird sich aber auch nicht gegen etwas entscheiden können. In der Konsensfalle entscheidet das Team gar nicht mehr.

Essentiell für "Disagree + Commit" ist "Sprechen + gehört werden"

Für ein echtes „Disagree + Commit“ reicht es nicht, sich still zu denken: „Ich sehe das anders.“ Es braucht das Aussprechen + aktive Zuhören.


Die Bedenken, Bauchgefühle + abweichenden Einschätzungen müssen genauso auf den Tisch wie das positive Bild.

  • Um was geht es hier, um was nicht?

  • Welche Chancen sehen wir realistisch, was halten wir für utopisch?

  • Welche Risiken fürchten wir, worum sorgen wir uns?

  • Welche Wirkung versprechen wir uns, welchen Nebenwirkungen möchten wir vermeiden?

  • Was würde uns als Team nach vorne bringen, was nicht?


Hellblaue Comic-Figur mit einer Sprechblase, darin ein ein rotes Kreuz (als Symboil für "nein")

Disagree + Commit funktioniert nur, wenn sowohl

die Zweifel als auch die Zuversicht auf den Tisch dürfen. Wenn beides gesagt werden darf – und auch gehört wird.


Diese Qualität von Austausch gelingt besonders gut in Formaten, die explizit dazu einladen, unterschiedliche Sichtweisen zu sammeln, ohne gleich „richtig“ oder „falsch“ zu bewerten.


Das kann zum Beispiel über das Format einer konsultativen Entscheidung gelingen. Oder über eine Widerstandsabfrage könnten die Beteiligten ihre Unsicherheiten + Bauchgefühle auf den Tisch bekommen.


Was sowohl in der konsultativen Entscheidung als auch der Widerstandabsfrage angelegt ist, ist die Entscheidungsform. Im ersteren Fall wird eine vorher definierte Gruppe oder ein bereits definierter Mensch die Entscheidung treffen, nachdem er*sie konstruktiv beraten wurde. Im zweiten Fall entsteht die Entscheidung als Mehrheitsbeschluss für den Fall mit dem geringsten Widerstand.


Nicht husch, husch über die Gegenargumente gehen, sondern wirklich verstehen

"Gehört zu werden" und "zu hören" heißt zu verstehen. Und womöglich liegt ja in dem Bauchgefühl des Einen mit der Sichtweise der Anderen ein neuer Punkt. Vielleicht führt das zu anderen Mess- oder Abbruchkriterien, die es ohne diesen Austausch nicht gegeben hätte.


Darin liegt echte Kraft. Oft haben wir erlebt, dass Entscheidungen signifikant besser wurden, weil die verschiedenen Perspektiven wuchsen + sich entwickeln. Und damit meinen wir nicht einen falschen Kompromiss.


Die Entscheidungen sollen nicht weichgewaschen werden. Die gemeinsame Erkenntnis + Anerkennung, dass die Situation mehrdeutig ist + mehrere kluge, aber vollkommenen unterschiedliche Möglichkeiten in sich trägt, wird die Beteiligten eher ermuntern, die unterschiedlichen Möglichkeiten noch weiter zu beleuchten.


Das gelingt, wenn die Beteiligten nicht darum ringen, am Ende doch einen Konsens zu finden + so der*die "Gewinner*in" zu werden.


"Disagree + commit" macht es möglich, dass total unterschiedliche + gegensätzliche Positionen verhandelt + verstanden werden.


Gehört werden + Transparenz über die Entscheidungsform haben

Hellblaue Comic-Figur mit einer Sprechblase, darin ein einem grünen Haken (als Symboil für "ja")

Gehört werden heißt verstanden werden. Wenn ich sicher bin, dass meine Argumente gesehen + gewägt wurden, kann ich mich darauf einlassen, andere Gründe gegen meine Position zu akzeptieren. Für ein funktionierendes "disagree + commit" braucht es daher auch eine Transparenz über die Entscheidungsform.


So wird das Teilen von Gegenargumenten, Unklar- und Unsicherheiten zu einer Bereicherung für die Entscheidung.


Und signifikant schneller als die Konsensentscheidung wird es auch noch:

"Wenn ich mir sicher bin, dass meine Argumente gehört + gewägt wurden + wenn ich verstehe, warum eine andere als die von mir gewünschte Entscheidung getroffen worden ist, dann kann ich eine Entscheidung mitgehen, mehr noch: mittragen + weiterentwickeln."

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