"Wenn ich das nicht mache, geht es nicht voran!"
- Judith Andresen
- vor 24 Stunden
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 19 Minuten

Vielleicht beginnt die Geschichte so: "Der*die Coach*in sitzt in der Retrospektive. Anwesend ist das selbstorganisierte Team inklusive der Führungskraft.
Die Beteiligten sind sich einig, dass sie sich im Operativen selbst + gegenseitig führen. Während der Retrospektive wird eine Meinungsverschiedenheit sichtbar. Im Team gucken alle erwartungsvoll auf die Führungskraft, die die Meinungsverschiedenheit mit einem "Das wird sich klären. Warten wir's ab." wegwischt. Die Beteiligten definieren gemeinsam eine Maßnahme, die sich für alle wie ein Burgfrieden anhört. Nach der Retrospektive wird die Führungskraft dem*der Coach*in sagen: "Ich halte mich da raus; ich bin mir sicher, dass das Team eine Lösung finden wird."

Und dann setzt sich die Geschichte fort mit einem*einer agilen Coach*in, die Aktivitäten strukturiert, stellvertretend die Meinungsverschiedenheiten klärt und zwischen den Teammitgliedern vermittelt.
Was als als Begleitung gedacht war, ist zu einer Co-Führung geworden.
Und so finden sich viele Scrum Master*innen + Coaches in Aufgaben wieder, in denen sie, das Team "betüddeln", als es zu entwickeln. Sie eint der Spruch:
"Irgendwie ist das ganz schön viel Arbeit für mich. Aber wenn ich das nicht tue, bewegt sich nichts."
Scrum Master*innen + Coaches handeln selbstbeauftragt. Sie brechen mit diesem Verhalten die Coachingweisheit:
"Never work harder than your client."
Ein verändertes Verhalten wird weitere Veränderungen induzieren. Und bei den Retrospektiventeilnehmer*innen wird über veränderte Handlungen Bewusstsein + Erkenntnis über Machbares + Effizientes wachsen. Scrum Master*innen + Coaches begleiten ihre Coachees + Teammitglieder in deren Veränderung.
Sich vor Selbstbeauftragungen schützen

Wenn Coaches ihrem eigenen Auftrag folgen, handeln sie selbstbeauftragt. Sie versuchen dann nicht, die Coachees von ihrem initialen Auftrag der Coachees zum eigentlichen Auftrag zu begleiten, welcher sich aus dem Zielraum der Coachees ergibt. Stattdessen folgen selbstbeauftragte Coaches ihrem eigenen Auftrag, dessen Zielraum sich aus den eigenen (Wert-)Vorstellungen + Erwartungen speist.
In dem vorgestellten Fall beauftragt sich der*die Coach*in selbst, die fehlende Führung innerhalb des Teams wahrzunehmen. In anderen Fällen werden Scrum Master*innen + Coaches zu "Scrum Mutti" beziehungsweise "Papa Schlumpf" für "ihre" Teams.
In manchen Fällen liegt diese Selbstbeauftragung im Selbstverständnis des*der Coach*in + im Führungsverständnis des*der Coach*in: "Agile Führungskräfte agieren nicht autoritär." Damit unterstützen die Coaches implizit das Nicht-Agieren der Führungskraft und deren Nicht-Positionierung -- und füllen anschließend die entstehende Leere durch eigene Bemühungen aus.
Vielleicht ist es das eigene Bild, vielleicht der eigene Perfektionsanspruch, vielleicht ist es das große Verantwortungsgefühl... - es gibt viele mögliche Ursachen für diese Selbstbeauftragung, welche sich in Form der Co-Führungskraft zeigt.
Dieser Bruch mit der Coachinghaltung lässt Coaches wahrscheinlich an der falschen Stelle wirken. Den eigentlichen Auftrag werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erfüllen. Dieser Bruch führt in die Wirkungslosigkeit.
Aufträge klären: mit dem Team + mit der Führungskraft

Selbstbeauftragungen kommen häufig dann zum Tragen, wenn die Beteiligten nicht um einen Coachingauftrag "ringen".
So stehen viele Scrum Master*innen + agile (Business) Coaches unter dem Generalauftrag: "Mache uns agil" oder "Sorge für agile Prozesse". Mit einem solchen Generalauftrag ist das "Wozu?" nicht geklärt. Diese Nicht-Klärung ersetzen Viele durch eine Selbstbeauftragung.
Coaching wird nur dann wirksam, wenn Coaches ihren Auftraug klären.
Im Rahmen der Auftragsklärung machen Coaches klar, was sie leisten können - und was nicht. Sie klären also ihre Rolle + ihren Beitrag zum Coachingergebnis: "Ich werde Euch auf Eurem Weg in den $Zielraum mit Coaching, Sekundärberatung + Training begleiten. Was ich nicht tun werde: ich werde Eure ToDos nicht sortieren + nicht zwischen den Einzelnen vermitteln. Was ich stattdessen tun werde: ich werde Euch darauf aufmerksam machen, wenn Ihr gerade Meinungsverschiedenheiten unter den Teppich kehren möchtet. Und ich werde Euch darin stark machen, dass Ihr gesund, konstruktiv + nachhaltig diese Meinungsverschiedenheiten für Euch nutzen + daraus lernen könnt."

Dieses Gespräch erfolgt mit allen Coachees. Im vorgestellten Fall gibt es das selbstorganisiertes Team mit einer Führungskraft, welche unklar miteinander agieren. Die zwischen den Teammitgliedern + der Führungskraft entstehende Verantwortungslücke hatte der*die Coach*in übernommen.
Jetzt parallel zum ersten Coaching "hinter den Kulissen" eine Auftragsklärung für einen zweiten Track zu beginnen, wäre für alle nicht hilfreich. Coaching basiert auf einer guten Bindung + einen klaren Haltung. Das Vertrauen in den*die Coach*in könnte schwinden oder sinken, wenn er*sie intransparentes Verhalten zeigt. Es könnte Misstrauen schüren: "Was bespricht er*sie ohne uns?"
Aus diesem Misstrauen könnte mangelnde Augenhöhe sprechen. Wenn Transparenz über diese Aufgabe hergestellt ist, ist die Grundlage für Augenhöhe + Vertrauen gelegt.
Unabhängig davon, braucht es eine Klärung, was die Beteiligten mit dem Coaching erreichen möchten:
"Wenn wir hier in sechs Monaten mit dem Caoching fertig sind, wie handeln dann die Beteiligten?" "Was soll sich ändern? Wie könnte es sein, dass es für Euch gut + funktional ist?"
In der initialen Auftragsklärung argumentieren die Beteiligten häufig aus ihrem Anliegen heraus:
"Was wir überhaupt nicht mehr wollen, ist ABC. Das muss anders werden." "Wir müssen für DEF schneller / besser / beweglicher werden."
Wenn der Zielraum noch nicht klarer ist, ist das für den ersten Schritt ausreichend. Während des Coachings werden Deine Coachees Lernschritt für Lernschritt ihren Zielraum klarer kriegen. Und genau da beginnt die Magie + der Erfolg des Coachings.
Für Bewegung sorgen, nicht die Bewegung machen

Ein gut geklärter Auftrag schützt alle Beteiligten + macht echte Bewegung + verändertes Verhalten aller Coachees möglich.
Deren verändertes Verhalten wird eine Wirkung ins System haben, mit der sich noch eine viel größere Entwicklung ergeben kann. Und da beginnt die wirkliche Magie von Team- + Individualcoaching.