Wie Möwen fliegen lernen
- Judith Andresen

- vor 2 Tagen
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Wir, das Team der BERATUNG JUDITH ANDRESEN, arbeiten auf dem Lieger VILLA HENRIETTE im Harburger Binnenhafen. Wer auf einem Boot in einem Hafen arbeitet, lernt vieles. Über Schwell + Schwall von Booten + Schiffen zum Beispiel, oder den Unterschied zwischen Booten + Schiffen. Über richtiges Vertäuen, Boote "sturmsicher" machen und den Unterschied zwischen Wind + Sturm. Und wir sehen in jedem Sommer zu, wie Möwen groß werden und das Fliegen lernen. Und wir lernen dabei, dass das Erlernen von Flugfähigkeiten nicht nur leicht + gefällig ist.
Möwenküken "scheckern", wenn ihnen unwohl ist

Nach ein paar Tagen der Stille nach dem Schlüpfen tapssen die noch flugunfähigen Möwenküken herum. Sie zeigen mit zwei Geräuschen, wie es ihnen geht. Ein mit langen Pausen versehendes hohes Fiepsen zeigt: "Hier bin ich, und ich habe Hunger".
Ein schnelles, rhythmisches, deutlich lauteres "Scheckern" zeigt: "mir ist unwohl". In Situationen, wo Raubmöwen zu sehen sind, ist wohl auch die Deutung "ich habe Angst" zulässig.
Nach und nach tauschen die Möwenküken ihr puscheliges Kükengefieder gegen Fluggefieder aus. Und in Abständen strecken sie ihre Flügel aus + üben an Land die ersten Bewegungen.
Möwenküken ist unwohl, wenn sie sich die ersten Male in die Luft erheben

Dabei passiert es, und es sieht eher zufällig aus, dass die Möwenküken sich in die Luft erheben. Und sie scheckern dabei. Ihnen ist nicht wohl.
Wir stellen uns Fliegen irgendwie erhaben + schön vor. Oder zumindest aus Vogelsicht wie eine Grundfunktion, die einfach da + gut ist.
Möwenküken geben deutlich Auskunft darüber, dass ihnen das Fliegen in diesen Momenten unangenehm ist. Wir möchten ihnen zurufen: "Super sieht aus! Wie schön, Du kannst fliegen!", die Möwenküken scheckern. Ihnen ist nicht wohl.
Nach ein paar Tagen des Übens scheckern die Möwenküken weniger. Sie scheckern nur noch beim Landen. Landen scheint noch komplizierter zu sein als Fliegen.
Und dann fliegen sie. Ohne Scheckern, erhaben gleiten sie durch die Lüfte und zeigen mit einem erwachsenen "Ah"-Ruf an: "Hier bin ich. Das ist mein Platz."
Auch Möwenküken gehen durch die J-Kurve

Was uns jedes Möwenküken, das in einem neuen Jahr auf dem Steg gegenüber das Fliegen lernt, lehrt, ist dass Lernen nicht nur leicht ist. Lernen kann kompliziert sein; und die Beteiligten können sich unwohl fühlen im Lernen. Das Ziel mag noch so klar sein; der Weg dorthin kann ganz schön unangenehm werden. Und wenn die erste Hürde, hier: das Fliegen, genommen ist, mag sich die zweite Hürde, hier: das Landen, noch zeigen. Für dieses anschauliche Mit-Erleben sind wir unseren Möwen-Nachbar*innen sehr dankbar. Und freuen uns darauf, auch im kommenden Jahr Möwenküken in ihrer Entwicklung zuschauen zu dürfen + zu können.
Macht es uns auf so eine wunderbare Art deutlich, dass es ein Ziel braucht + zwischendurch auch rumpeln wird + darf und das doch alles gut werden wird, wenn wir die Anstrengung, die in Lernen liegt, annehmen.



