Der "Respekt!"-Artikel brachte viel Reaktionen. Während die einen scherzten, dass GEADN auch nicht zu verachten sei, meinten andere, dass neben der respektbasierten Kommunikation auch die angstbasierte Kommunikation - gerade in Krisenzeiten - wichtig und sehr effizient sei.
Diese Aussage befördert meinen Widerspruch. Dies ist eine öffentliche Antwort.

Führen über Angst?
"Angstbasierte Kommunikation" stellt das Verhältnis (d.h. das Arbeitsverhältnis) zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in Frage. Menschen haben vier Grundbedürfnisse: Kooperation, Kommmunikation, Anerkennung & Sicherheit.
Führung, die darauf beruht, Sicherheit zu nehmen bzw. in Frage zu stellen, geht sehr tief.
Im Arbeitszusammenhang Sicherheiten zu nehmen, heißt neben der menschlichen Beziehung die (wirtschaftliche) Existenz eines Menschen zu bedrohen.
Diese Art der Führung ist unglücklicherweise effizient, da alle Mitarbeiter möglichst schnell wieder sicheren Boden unter den Füßen spüren möchten. Aber: diese Art der Führung zerstört Vertrauen. Eine Rückkehr in eine respektbasierte Kommunikation erscheint mir unmöglich.
Für mich ist dieser Weg nicht akzeptabel. Keine Führungskraft hat im Arbeitsleben das Recht, Sicherheiten zu nehmen und über Ängste gefügig zu machen. Wir sind gemeinsam auf der Arbeit, nicht im Krieg!
Passe Dein Führungsverhalten der Situation an
Es gibt Zeiten, da haben wir keine Zeit für Diskussionen. Es ist kritisch. Die Situation bedarf einer akuten Entscheidung bzw. eines bestimmten Vorgehens. Das Team eiert herum. Und der Mitarbeiter kann sich nicht oder traut sich nicht zu entscheiden.
Diskussionen würden zu viel Kraft & Zeit rauben. Zeit für klare Anweisungen.
Anweisen!

Das Modell des "situativen Führens" zeigt unterschiedliche Konstellationen auf.
Führungsverhalten hängt davon ab,
- wie die Beziehung zwischen Führungskraft und Untergebenem ist und
- wie komplex die Aufgabe gestaltet ist, die zu übernehmen ist.
Neben der Beziehungsorientierung der Führungskräfte entscheidet auch die Komplexität der Aufgabe über den Führungsstil. (Dieses Modell wurde nicht empirisch bestätigt. Es erleichtert dennoch das Charakterisieren typischer Kommunikationssituationen.)
Aufgabenorientierte Führungskräfte konzentrieren sich auf die zu erledigenden Tätigkeiten. Feedback erfolgt meist indirekt über das Feedback zu Ergebnisse. Der Fokus von aufgabenorientierten Führungskräften liegt auf der Kompetenz-Entwicklung von Mitarbeitern. Beziehungsorientierte Führungskräfte fördern die Eigenverantwortung von Mitarbeitern und deren Einstellung zu den betreffenden Tätigkeiten. Feedback erfolgt aktiv. Der Fokus liegt auf der eigenverantwortlichen Lösung von Aufgaben durch Mitarbeiter.
Jede Führungskraft hat ihre persönliche Komfortzone in der aufgespannten Matrix. Dennoch ist - je nach individuellem "Reifegrad" (siehe auch "Soll: Performant; Ist: Schwierig") des Mitarbeiters in Bezug auf die Tätigkeit - die Art des Führungsverhaltens anzupassen.
In kritischen Situationen, in denen das Team nicht weiter weiß, fehlt wahlweise Kompetenz oder Vertrauen darin, wirklich selbst entscheiden zu dürfen.
Wenn die Führungskraft sich sicher ist, dass der Mitarbeiter sich trauen würde, wenn er wüsste, was er entscheiden sollte, hilft eine Anweisung, denn offensichtlich ist der Reifegrad, also die Komptetenz bei der Aufgabe, nicht hoch. Je nach Temperament fällt die gegebenenfalls auch als Anordnung aus. Damit die nicht verpufft, ist die Entscheidung durch die Führungskraft zu begründen.
Auf diesem Wege hat die Führungskraft auf ein Unsicherheit und fehlende Kompetenz im Team reagiert und mit einer Entscheidung die Sicherheit wiederhergestellt. Gleichzeitig haben die Mitarbeiter die Chance, in einer ähnlichen Situation zukünftig eigenständiger zu agieren.
Je stärker der Mitarbeiter in der Argumentation mitgeht und dabei immer mehr Verantwortung für die Entscheidung übernimmt (also sich eine stärkere Beziehungsorientierung zeigt), desto stärker prägt sich die Anweisung als Anleitung aus.
Auch dies ist eine gute Gelegenheit, Mitarbeiter mit einer schwieriegen Situation umgehen zu lernen. Das wird die zukünftigen "Fire-Fighting"-Einsätze vermindern. Weiter so!
Gleichzeitig sollte jede Führungskraft sich (und die Mitarbeiter!) fragen, ob wirklich die Freiheit zur Entscheidung gegeben ist. An der Stelle beginnt oft Unehrlichkeit. Warum das so ist, ist ein anderes Thema.
Dieser Blog-Post ist ein privater Beitrag von Judith Andresen.
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Heiko Harthun (Mittwoch, 25 April 2012 22:24)
Die Angstbasierte Führungsmethode führt zusätzlich zu den von dir genannten Eigenschaften noch zu etwas anderem. Der Verlust von Sicherheit, kann einen Leidensdruck erzeugen, der Mitarbeiter in eine innere Kündigung treibt.
Diese innere Kündigung, kann bei einem gut ausgebildeten Mitarbeiter relativ schnell zu einer offenen Kündigung werden.
Im Moment geschieht das nicht so häufig, wie es sollte, da viele Menschen Angst vor der Arbeitslosigkeit haben. Das Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit stellt demnach gerade den Antagonisten der Angstführung.
Wie gut für viele Firmen, dass es dieses gerade gibt ...
Judith Andresen (Freitag, 11 Mai 2012 17:34)
Angstgeführtes Führen mag kurzfristig gut funktionieren. Es funktioniert - so wie Du festgestellt hast - häufig mit der Folge einer inneren Kündigung.
Ein Unternehmen, das von angstgeführter Führung geprägt ist, wird dafür zahlen.
Kurzfristig - so lange die Mitarbeiter _nur innerlich_ gekündigt haben - wird keine Exzellenz sichtbar. Das Mittelmaß fällt nicht auf. In einem angstgefülltem Umfeld ist Nicht-Auffallen eine gute Strategie. Mittelmäßige Leistung heißt aber auch mittelmäßiger Ertrag.
Mittel- bis langfristig werden diese Unternehmen Mitarbeiter verlieren. Vor dem Hintergrund eines kommenden Führungskräfte- und Fachkräftemangels keine gute Option. Das Finden und Einarbeiten von Mitarbeitern ist ein sehr teurer Vorgang.
Insofern halte ich zu keinem Zeitpunkt die angstgeführte Führung für eine gute Option - auch wenn es sich für einen kurzen Moment wie eine sehr effiziente Methode anfühlt.