Es ist kurz vor knapp. Das Entwicklungsteam stöhnt vor Arbeit, die Tester laufen noch leer und drängeln: "Nein, heute kein StandUp, das kostet nur Zeit - und wir wissen ja, was ansteht."
In Drucksituationen fallen wir auf Muster zurück. Unreflektiert. Das stinkt.
Das Projektteam hat sich vor dem Projekt entschieden: es soll basisdemokratischer, interdisziplinärer oder agiler zugehen. Das Projektteam hat hierfür eine neue / veränderte Methodik definiert. Diese Änderung der Methodik folgt einem Ziel: ein Erhöhung der Motivation der Team-Mitglieder und mehr Effizienz beim Erreichen des Projektziels.
Wenn wir neue Projektmethoden einführen bzw. verändern, streben wir eine Verhaltensänderung im Team an.

Verhaltensänderungen brauchen Zeit. Aus Unternehmenssicht steht einer Verhaltensänderung einens Einzelnen die Klärung des Unternehmensziels (Vision, Mission) voran. Der Einzelne muss Fähigkeiten aufbauen, um ein bestimmtes Verhalten zu zeigen.
Und es braucht Zeit, bis diese Fähigkeiten als dauerhaftes Verhalten gelebt werden. Die Terminologie entstammt an dieser Stelle der Psychologie. Verhaltensänderungen eines Einzelnen werden in fünf Schritten (siehe Transtheoretisches Modell, Wikipedia) beschrieben:
- Irgendwann werde ich das Verhalten ändern.
- Ich unternehme erste Schritte zu einer Verhaltensänderung.
- Ich ändere mein Verhalten.
- Ich versuche, das veränderte Verhalten dauerhaft zu zeigen.
- Mein Verhalten ist dauerhaft anders.
Unsere Verhaltensänderung, die Einführung einer neuen bzw. einer veränderten Projektmethode, muss von einem Team gelebt werden. Jeder Einzelne durchlebt die Schritte der Verhaltensänderung. Jeder Einzelne ist "rückfallgefährdet".
Verhaltensänderungen verlaufen nicht linear, sondern in Schüben und mit Rückschlägen. In Projektteams unterliegt die Verhaltensänderung zudem der Gruppendynamik.
Wenn wir unter Druck geraten, kommen die alten Muster durch. Sie haben uns lange getragen. Und deswegen "vergessen" wir in Drucksituationen leicht, was wir uns vorgenommen haben: "Wir wissen ja, was ansteht. Lasst uns einfach machen."
Um die eigentlich gewünschte Projektmethode (=Verhaltensänderung) nicht zu gefährden, braucht es Ruhe und Reflektion. Der bequeme Weg ist es, die Reflektion auf den Projektreview zu verschieben: "Darüber reden wir später. Erst mal bauen wir." Dieser bequeme Weg ist der falsche. Sich nicht - um im Beispiel zu bleiben - mehr im StandUp auszutauschen und zu koordinieren, wird Konsequenzen haben. Sind die Konsequenzen gewollt?
Wenn Einzelne oder die Mehrheit des Teams den Verzicht auf eine Projektmethode fordert, ist sofort die Frage zu stellen: "Warum sind wir so unter Druck? Und was können wir tun, um den Druck zu minimieren?" Es folgt eine bewusste Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Projektmethode - und ein bewusstes Ändern des Vorgehens.
Auch dies ist im Projektreview zu überprüfen. Aber der Versuch einer Rationalisierung und einer bewussten Änderung des Vorgehens ist auf jeden Fall besser als das unbewusste Zurückfallen in alte Muster. Das stellt die neue Projektmethode dann nicht per se in Frage. Aber es ist Anlass, die eigene Projektmethodik iterativ zu verbessern.
P.S. Danke an Gilda Feller für die Inspiriation!
Dieser Blog-Post ist ein privater Beitrag von Judith Andresen.
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