"Release early, release often!" Diese Forderung, die dem agilen Umfeld entspringt, führt zu einer frühen Verzahnung von Entwicklung, Tests und ggf. dem Nutzer. Das ist gut.
Gleichzeitig ermöglicht ""Release early, release often!" Erfolg und damit Motivation . Das wird oft übersehen - und ist doch einen Blick wert.
Das körpereigene Belohnungssystem schafft Motivation
Ein wichtiger Moment liegt in uns selbst. Falls wir erfolgreich sind, uns also handwerklich etwas gelingt oder wir etwas erfolgreich gelernt haben (einen Zusammenhang hergestellt haben), werden im Hirn vermehrt Dopamin und Endorphine ausgeschüttet.
Diese gehören zu den Neurotransmittern und sind für die Vernetzung und Kommunikation der Hirnzellen zuständig. Sie sorgen gleichzeitig für ein Glücksgefühl bis zur Euphorie. Das beeinflusst unsere Wahrnehmung positiv. Dieses positive Gefühl möchten wir wieder erreichen: wir sind motiviert, etwas dafür zu tun. Je größer die Motivation ist, desto mehr Energie & Ausdauer zum Bewältigen einer bestimmten Aufgabe tragen wir in uns.
Wir belohnen uns also für Erreichtes selbst. Lernforschung macht sich diesen Umstand zu eigen, in dem es nach kleinen Lerneinheiten für eine Überprüfung und damit ein die Lernmotivation steigerndes Erfolgsmoment sorgt. Aber auch in der Arbeitswelt ist es sinnvoll, sich dieses Mechanismus durch "Release early, release often" zu eigen zu machen.

Eine Basis für gute Teamarbeit bereiten
Anforderungsanalyse, Definition & Kreation, Implementierung, Test und Abnahme jeweils als Stufen im Wasserfall-Modell durchzuführen, erweist sich oft nicht als wirklich praktikabel.
Unter Zeitdruck sind die Übergaben von einer in die andere Stufe fest gebucht auf Konflikt. Es werden implizit Teil-Teams gebildet: Vorweg das Kreationsteam ("das ist cool, also geht's auch"), dann das Implementierungsteam ("was die sich wieder ausgedacht haben", "das geht auch so"), anschließend das Test-Team ("hat irgendwer mal die Anforderungen gelesen?". Wenn die einzelnen Stufen große Pakete enthalten, begreifen sich die einzelnen Team-Mitglieder eher als Mitglieder ihres Teilteams, denn als Mitglieder des Gesamt-Projektteams.
Das Team-Ziel reduziert sich dann auf die Erfüllung der Teilaufgabe. Diskussionen und Konflikte begründen sich in der Erfüllung der jeweiligen Teilaufgabe. Das mehrt die Anzahl der Meetings, aber führt nicht zum Projekterfolg.
Das Gesamtteam verliert damit Kraft & Motiviation. Je kleiner die Releases sind, die von einer Stufe in die nächste übergeben werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Team-Mitglieder ihren Anteil am Gesamtwerk sehen. Je erfolgreicher sie dabei sind, desto mehr Motivation ist da.
Fürs Team ausliefern!
Zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehört neben Sicherheit, Kooperation und Kommunikation auch Anerkennung. Motivation entsteht auch durch eine Anerkennung von Leistung durch Dritte. Im Software-Geschäft heißt das "öffentliches Release".
In komplexen Projekten neigen Kunden dazu, ein Projekt mit einem "big bang" launchen zu wollen. Das ist auch aus motivatorischer Sicht nicht gut (mir fiele da noch mehr ein).
Anforderungsänderungen verlängern die Projektzeit - und damit die Zeit ohne öffentliche Anerkennung. Und so darf die Begründung für einen Livegang auch sein: "Das Team braucht das jetzt!" Das schließt übrigens die Auftraggeber-Seite mit ein. Auch diese Projektbeteiligten brauchen sichtbare Erfolge.
Dreifache Motivation durch "Release early, release often"
Es gibt drei Gründe aus motivatorischer Sicht, die eigenen Releasezyklen mal anzuschauen, ggf. zu kürzen und einfach früh zu liefern:
- Für den Einzelnen
- Als Basis für eine gute Teamarbeit
- Fürs Team
Wohl an!
Dieser Blog-Post ist ein privater Beitrag von Judith Andresen.
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- Kategorie: Projekt
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