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Selbstorganisation und Eigenverantwortung sind Führungsaufgabe

Selbstorganisation und Eigenverantwortung kommen nicht von selbst. Ich weiß nicht, wie oft ich schon gehört habe: „Agil funktioniert bei uns nicht, denn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können [wahlweise auch: wollen] nicht selbstorganisiert und eigenverantwortlich arbeiten.“ Ich habe aufgehört zu zählen.

Aus meiner Sicht ist das gut nachvollziehbar.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die es gewöhnt sind, dass andere die Entscheidungen für sie übernehmen - vielleicht sogar das Denken für sie übernehmen - tun sich schwer, von heute auf morgen selbst Entscheidungen zu treffen. Die neuen „Zustände“ bringen die meisten erheblich aus ihrer Komfortzone. Selbst Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen, Fehler zu machen und Konsequenzen zu tragen, bedeutet raus aus der Komfortzone - rein in die Lernzone.

 

Wenn es um ein Team geht, das selbstorganisiert und eigenverantwortlich arbeiten soll, dann kommt erschwerend die Komplexität der Gruppe dazu. Solange kalte und heiße Konflikte den Alltag bestimmen, wird es für das „Team“ schwer, das Tages- und Projektgeschäft selbstorganisiert zu meistern.

Es ist Führungsaufgabe, die Startbedingungen für Selbstorganisation und Eigenverantwortung zu schaffen und dann mit einem wachsamen Auge zu begleiten. Bei Scrum Teams gibt es in der Regel einen benannten Scrum Master, der als laterale Führungskraft, in erster Instanz diese Führungsaufgabe übernehmen muss. In anderen Kontexten gibt es möglicherweise einen agilen Coach als laterale Führungskraft.

 

Zu den Führungsaufgaben des Scrum Masters oder des agilen Coachs gehören:

 

  • den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die neue Erwartungshaltung der Selbstorganisation und Eigenverantwortung deutlich zu machen
  • deutlich zu formulieren, ihr dürft und ihr müsst handeln. 
  • einen guten Blick auf die einzelnen Teammitglieder zu haben: Wo steht ein Teammitglied? Hat sie oder er die persönliche und fachliche Befähigung mit den Anforderungen umzugehen? Was ist der nächste Entwicklungsschritt? Wie kann dieser angestoßen werden? Ist die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter noch in der Lernzone oder schon in der Panikzone? Wie bekomme ich den Mitarbeiter da rein, respektive da raus
  • eine gute Kommunikationskultur zu etablieren: Alle Themen müssen klar benannt werden (können).
  • dafür zu sorgen, dass das Team konstruktive Wege findet, mit den aktuellen Konflikten umzugehen.
  • die Teamdynamik im Blick zu behalten: Wo steht das Team? Welche Maßnahmen helfen, das Team weiter zu entwickeln?

Das geht weit über die in gängigen Scrum Master Trainings vermittelten Kompetenzen hinaus. Auch die von vielen Scrum Mastern und agile Coachs gelebte Praxis weicht häufig deutlich davon ab. Ich höre regelmäßig das Aussage: Selbstorganisation und Eigenverantwortung braucht keine Führung.

 

Aber Selbstorganisation und Eigenverantwortung sind Führungsaufgaben: sei es die Startbedingungen zu schaffen oder mit einem wachsamen Auge zu begleiten.


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Kommentare: 1
  • #1

    Silvia (Freitag, 17 März 2017 17:46)

    Danke für diesen Appell. Selbstverantwortung muss auch gelebt und angenommen werden. Dazu gehört auch, dass man seine Ziele, bzw. die Ziele des Teams kennt.
    Bei ausreichend Transparenz und Eigenverantwortung erlangen agil organisierte Teams das Ergebnis in kürzerer Zeit.
    Liebe Grüße
    Silvia