Wirksam Feedback geben
- Judith Andresen
- 8. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Okt.

Es ist ganz schön eng. Seit Wochen hängt Ihr Eurem Plan hinterher. Ihr seid im Review. "Ich habe das nicht hinbekommen", sagt eines der Projekt-Teammitglieder. Alle wirken erschöpft. "Wir müssen das nächstes Mal besser verteilen" sagt wer Anderes. Alle nicken. Die Lösung fühlt sich für Dich schal an. In Deinem Kopf formt sich die Frage, ob durch das frühe Verteilen der Aufgaben die Beteiligen am Ende nicht mit-, sondern nebeneinander arbeiten. Ihr habt nur noch zwei Sprints. Du möchtest kein weiteres Fass aufmachen. Wie Ihr Euch besser organisieren könnt, werdet Ihr nach Projektende klären. Das erscheint Dir im Moment am Einfachsten.
Die Stimmung im Meeting ist angespannt. Zwei der Teamkolleg*innen sind deutlich in ihren Forderungen: "das ist doch klar, dass wir XYZ machen müssen". Die anderen Teammitglieder antworten nur in einsilbig. Insgesamt fühlt sich die Lösung für Dich nicht ehrlich an. Du blickst auf die Uhr. Eine Grundsatzdebatte werdet Ihr jetzt nicht führen können. Eigentlich müsstest Du jetzt klären, dass ein Austausch auf Augenhöhe auch einschließt, dass alle Beteiligten gut gehört werden. Eines der aktuell deutlich zu hörenden Teammitglieder nimmt Feedback im ersten Anlauf immer persönlich. Du hast weder auf die Formulierung des Feedbacks noch das dazugehörige Gespräch Lust + in der konkreten Situation auch nicht die Energie dazu.
Du hast noch die Erschöpfung Deines Teammitglieds vor Augen + dessen*deren Überforderung in seiner*ihrer persönlichen Situation. Nun steht Ihr im Daily + er*sie erläutert das Tageswerk: "Ich bin dran, aber es dauert noch." Eigentlich seid Ihr als Team transparent, wenn Einzelne ihre Aufgaben am Tag nicht hinbekommen. Darauf seid Ihr sehr stolz. Damit das gelingt, braucht es Austausch + Ehrlichkeit. Du spürst, dass das Feedback, dass Du geben möchtest, nur noch mehr belasten würde. Du möchtest nicht dem privaten Problem ein berufliches hinzustellen.
Feedbacken macht Bewegung möglich, Schweigen nicht.

Nicht nur für Coaches, sondern für alle Organisationsmitglieder gilt: "Schonen heißt schaden." Ein Lerngeschenk nicht zu machen, unterschlägt Entwicklungspotenzial + schließt ein gemeinsames Lernen aus. Die wenigsten Entwicklungen ergeben sich durch Abwarten.
Konflikte, Tabus, unausgesprochene Veränderungen kostet Teams Energie + Motivation. Es braucht Feedback (möglichst im Dreiklang), wenn die Organisationsmitglieder ihre mögliche Performanz unterlaufen.
Chris McGoff fasst in seinen Primes zusammen unter der Überschrift "Feedback is caring" mit "FEEDBACK – getting a new perspective – is the lifeblood of learning and mastery" zusammen. Er fordert für ein gutes Feedback "fünf Richtige" ein:
Right Message Right Time Right Person Right Way Right Reason
Um diesen fünf Richtigen zu bestimmen, brauchst Du Zeit. In Situationen, wie sie oben beschrieben sind, fällt es Dir vielleicht schwer, die fünf Richtigen zu benennen und ein sauberes Lerngeschenk zu übermitteln.
Das Schonen ist zu fühlen

Viele Beteiligte spüren, wenn sie ins Schonen gehen. Die Unsicherheit in der Situation mündet in nachträglicher Erleichterung: „Gut, dass die Sitzung schnell vorbei war“. Oft bleibt die bohrende Frage: "Hätte ich da nicht eingreifen müssen?". Vielleicht ist da auch ein schlechtes Gewissen: "Am Ende ist niemanden geholfen, wenn ich das nicht thematisiere". Manchmal zeigt sich auch ein Selbstvorwurf: "Da bin ich zu feige, das zu sagen." In Abständen hinterlassen Arbeitssituationen auch nur ein merkwürdiges, nicht recht zu benennendes Gefühl:" Irgendwie fühlt sich das falsch an. Was mache ich jetzt nur?"
Wenn diese Gefühle benannt sind, fallen die fünf Richtigen fürs Feedback leichter. Die Motivation ist klar, die Begründung liegt in den Antworten. Die Nachricht bestimmt die Adressat*innen. Form + Zeitpunkt ergeben sich daraus: "Hast Du etwas Zeit für ein Feedback von mir?"
So wird aus einem vagen, vielleicht unbequemen Gefühl eine Entwicklungsmöglichkeit für alle Beteiligten. Wenn die Beteiligten nicht ins Schonen gehen, liegt genau darin die Wirksamkeit + das Geschenk von Feedback.
