Der Autor Ronald Hanisch ruft "Das Ende des Projektmanagements" aus. In dem gleichnamigen Buch versucht er zu erläutern, wie Digital Natives die Führung übernehmen und Unternehmen verändern.

Die Motivation für das Buch sieht der Autor in einer stetig komplexer werdenden Welt -- in der viele alte Rezepte nicht mehr funktionieren. Ronald Hanisch beobachtet als Berater seit längerer Zeit eine "junge" Generation von (Projekt-)Managern und -Managerinnen. Mit diesem Buch versucht er, dieses Phänomen zu beschreiben und zu erklären.
Hierfür klärt Autor sein Generationenverständnis der "Babyboomer" der Generation X sowie der Generation Y. Er löst sich von einem starren Generationenverständnis und spricht im Folgenden von Babyboomern und Digital Natives. Er klärt in einer Kapitelabfolge,
- warum Projekte in der heutigen Zeit häufig scheitern,
- wie Digital Natives leben und arbeiten,
- wie genau das berufliche Umfeld der der Digital Natives aussieht,
- wie diese Generation Zeit managt,
- wie die Digital Natives Teamarbeit verstehen und
- wie Führung in diesem Kontext funktioniert.
Daraus leitet der Autor ab, wie wir alle zukünftig Projekte steuern werden. Da er selbst den Babyboomern zugehört, wird ein "Wir" im Text implizit zu einem "Wir Babyboomer". Die Digital Immigrants werden nach der Begriffsklärung nicht weiter betrachtet.
Ronald Hanisch zitiert eine Vielzahl von Studien über das Lebens- und Arbeitsverständnis und die gewünschten Arbeitsbedingungen der Digital Natives. Diese Zitate sind interessant und geben tiefe Einblicke in die Denkstrukturen von Digital Natives. Diese werden flankiert durch Zitate von Projekt-Managern und -Managerinnen unterschiedlicher Generationen und Branchen. Aus diesen Studien und Zitaten ergibt sich ein großes Bild der Digital Natives.
Das Gegenüberstellen von Studien und einem Selbstbild einer Generation erzeugt zum Teil kräftige Widersprüche in der Bewertung. So schreibt Ronald Hanisch über das Duzen und Siezen in Unternehmen:
"Dieser intensive und persönliche Kontakt wird meiner Beobachtung nach immer häufiger begleitet von einem jovialen Du statt des förmlicheren Sie."
Nur eine halbe Seite später ergänzt der Autor:
"Und zumindest für meinen Kulturkreis stelle ich fest, dass mit dem Sie eine förmliche Höflichkeit und Korrektheit verbunden war, die mit dem Du durch authentischen Respekt und Herzlichkeit ersetzt wird."
In nur kurzer Zeit widerspricht sich der Autor stark. "Jovial" bedeutet: "betont wohlwollend, gönnerhaft, herablassend." Diese Deutung der Duz-Kultur innerhalb der Digital Natives widerspricht stark der eigenen Feststellung, dass das "Du" für authentischen Respekt und Herzlichkeit steht.
Widersprüche dieser Art finden sich in diesem Buch an mehreren Stellen. Der Autor bewertet das Verhalten aus Sicht eines Babyboomers. Dabei stehen implizite Vermutungen und Wertungen Studienergebnisse und objektivierbare Ergebnisse entgegen. Eine deutliche Explizierung von eigener Denke und objektiven Aussagen über Babyboomer hätte die Verdaulichkeit des Texts erhöht.
Die Beurteilung aus traditioneller Sicht zeigt sich sich auch bei dem kurzen Ausflug in agile Projektmethoden. Das agile Manifest und die Wertewelt, die agil arbeitenden Team-Mitgliedern besonders wichtig ist, streift er nur kurz. Dafür erläutert er er stärker die Wirkungsweise einzelner Rituale in der agilen Projektmethode SCRUM. Weitere Projektmethoden werden mit Namen erwähnt, aber nicht erklärt. Eine Beurteilung einer neuen Projektmethode erfolgt implizit über die vorgestellten Methodenbausteine. Diese technokratische Sicht auf Projekte ist aus der Sicht eines Babyboomers vollkommen korrekt.
Das Buch "Das Ende des Projektmanagements" hätte nach Aussage des Autors im Epilog auch "Das Ende des bekannten Projektmanagements" heißen können. Der Titel wäre aus meiner Sicht ehrlicher gewesen. Den es hätte die Blickrichtung des Autoren deutlicher gemacht.
Trotz der Widersprüche im Detail ist das Buch als Zitaten- und Quellensammlung gut zu lesen. Es wird dem geneigten Leser oder der geneigten Leserin helfen, fundierte Studien über Projektmanagement, Management und Lebenskonzepte von Digital Natives zu finden. Gleichzeitig gilt es das Buch mit offenem Herzen und eingeschaltetem Verstand zu lesen: es gibt viel zu lernen. Gerade Leser und Leserinnen, die sich den Digital Immigrants oder Natives zuordnen, werden direkt mit den Beurteilungen und Wertewelt der Babyboomer konfrontiert.
Ein interessantes Lese-Experiment ;-)
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Nadja (Montag, 21 April 2014 11:23)
liebe Judith, danke für diese Zusammenfassung, es machte mich an vielen Stellen nicken und schmunzeln, und ich finde gut, dass der aktuelle gesellschaftliche Umbruch auch über Themen wie Projektmanagement abgebildet werden kann.
Karsten (Donnerstag, 24 April 2014 19:20)
Hallo Judith,
jetzt hast Du hast mich neugierig gemacht;) Habe das Buch bestellt und bin gespannt!
Viele Grüße
Karsten