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Agiles Coaching | Coachinghypothesen formulieren

Agile Coaches unterstützen Teams, Organisationen und Individuen in ihrer Veränderung im Sinne des agilen Manifests.

 

Sie suchen dabei Empathie zu den Beteiligten, Distanz zur Sache und Dissoziiertheit zum System, um wirksam zu sein.

 

Im fünften Teil der Artikel-Serie wird es um den Ablauf der Coachingsitzungen gehen. Das zugehörige Transitionsdesign wird den agilen Coaches nur gelingen, wenn sie ihre Beobachtungen des initialen Gesprächs modellbasiert interpretieren und ein voraussichtlich zielführendes Transitionsdesign ableiten. 

 

Agile Coaches wird das Transitionsdesign nur gelingen, wenn sie auf Basis ihrer wertfreien Beobachtungen eine klare Coachinghypothese ableiten.

Immer wieder: Beobachtungen interpretieren

Für die Formulierung von Anstössen, also Impulsen und Interventionen der Coaches, macht es einen großen Unterschied in der Haltung, insbesondere der Dissoziiertheit zum System, ob agile Coaches formulieren:

  • "Die Coachees mögen gegenüber ihrer Vorgesetzten nichts äußern, weil diese nicht in der Lage ist, konstruktive Kritik anzunehmen." oder
  • Die Coachees äußern keine Kritik gegenüber ihrer Vorgesetzten. Sie formulieren, dass sie diese für nicht fähig halten, konstruktive Kritik anzunehmen und dass es einfacher sei, "Workarounds" um die Vorgesetzte herum zu bauen."

Im ersten Fall übernehmen die agile Coaches die Bewertung der Coachees. Mit der Übernahme der Bewertung assoziieren die Coaches mit dem Coachee-System.

 

Im zweiten Fall formulieren die agilen Coaches ihre Beobachtungen, welche sie nachfolgend, womöglich von weiteren Beobachtungen gestützt, interpretieren können.

  • Meine Interpretation ist, dass die Coachees Kritik so formulieren, dass sie für die Vorgesetzte nicht annehmbar ist.
  • Meine Interpretation ist, dass die Coachees innerlich annehmen, keine Kritik an der Vorgesetzten äußern zu dürfen.
  • Meine Interpretation ist, dass die Vorgesetzte nicht auf Augenhöhe mit den Coachees umgeht. 

Derartige Interpretationen sind durch die Grundannahmen, Erfahrungen und Werte der agilen Coaches, also durch ihr Coach-System, geprägt. Eine Entkopplung und damit größere Sichtweise kann den agilen Coaches gelingen, in dem sie ihre Beobachtungen modellbasiert interpretieren:

  • Ich interpretiere meine Beobachtungen mit den drei Ich-Zuständen der Transaktionsanalyse.
  • Die Beteiligten, Coachees und Vorgesetzte, scheinen in eine gekreuzte Kommunikation aus Kind- und Eltern-Ich zu gehen. Konstruktive Kritik kann nur auf der Erwachsenen-Ebene fair ausgetauscht werden. 

Aus dieser modellbasierten Interpretation leiten die agilen Coaches ihre Anstösse ab. Sie können dafür Impulse, also sprachliche Hinweise, oder Interventionen, also Handlungsaufforderungen für die Coachees, nutzen:

  1. Impuls
    "Versetzt Euch mal in die Position Eurer Vorgesetzen. Ihr tragt Eure Kritik so vor. 
    Wie wirkt das auf Euch als Vorgesetzte? Ist diese Kritik annehmbar? Wie müsste diese Kritik formuliert sein, damit Ihr in ein gutes Gespräch kommt?"
  2. Intervention
    "Ich stelle Euch ein Modell der Transaktionsanalyse vor. Bitte ordnet das Kommunikationsverhalten von Euch und Eurer Vorgesetzten in dieses Schema ein. 
    Woran macht Ihr diese Einordnung fest? Wie würden entsprechende Inhalte in den anderen Ich-Zuständen formuliert werden?"

Darüber hinaus können agile Coaches auf Sekundärberatung als Anstoß zurückgreifen, um den Lösungsraum der Coachees zu erweitern. 

 

Ob agile Coaches auf Impulse oder Interventionen zurückgreifen, hängt vom Reifegrad der Coachees ab. Wie Impulse und Interventionen angemessen für Coachees formuliert werden, wird in einen späteren Artikel der Serie thematisiert werden.

 

Entscheidend ist dabei das Ziel der agilen Coaches, das Systemverständnis der Coachees zu erweitern. Es ist nicht die Aufgabe der agilen Coaches, das System der Coachees zu verstehen. Dies kann in einer komplexen Umgebung gar nicht gelingen. Es ist die Aufgabe der agilen Coaches, Impulse und Interventionen so zu platzieren, dass die Coachees zu neuen Erkenntnissen gelangen beziehungsweise ihr Systemverständnis vergrößern.

 

Der Bedarf für Impulse und Interventionen ist immer dann angezeigt, wenn die Beobachtungen der Coaches eine Unstimmigkeit zeigen. Wenn sich die Coachees zum Beispiel in ihren Aussagen widersprechen und diesen Widerspruch nicht bemerken, liegt eine Unstimmigkeit im System der Coachees vor.

Coachinghypothesen überprüfen

Agile Coaches überprüfen ihre Coachinghypothesen, bestehend aus

  1. wertfreien Beobachtungen,
  2. modellbasierten Interpretationen und 
  3. Ableitungen von Anstößen (Impulsen, Interventionen oder Sekundärberatung),

regelmäßig mittels geeigneter Reflexionsformate. Durch Reflexion mit Peer-Coaches (Intervision) oder durch Supervision überprüfen sie ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten als agile Coaches. Stets bewusst mit Coachinghypothesen zu arbeiten, zeichnet professionelle agile Coaches aus.

 

Insbesondere gehört zum Reflexionsumfang auch die Frage, ob die agilen Coaches alle Unstimmigkeiten innerhalb des Coachee-System wahrgenommen haben. Teilen die Coaches Werte, Normen und Regeln mit den Coachees, wird in dies nicht immer gelingen. Mit einer Reflexion der Coachingleistung können agile Coaches diese Punkte identifizieren, um in nachfolgenden Coachingsitzungen bewusster mit ihren eigenen Normen, Werten und Regeln umgehen zu können.

Artikelserie "Agiles Coaching"

Teil 01 | Mit Haltung 

Teil 02 | Werte

Teil 03 | Aufgabe

Teil 04 | Coachinghypothese

Teil 05 | Agile Reifegrade



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