"Von oben" kommt die Ansage: "Der fachliche Schwerpunkt ist XYZ. Das sind die budgetären Rahmenbedingungen. Und für das Projekt habt Ihr zwei Monate. Dann geht das live!"
Ihr wisst, dass das nicht zu schaffen ist. Eine unheilige Allianz aus Management, Sales und/oder Projektleitung hat sich gegen Euch verschworen. Der Fehlschlag ist vorprogrammiert. Und die Überstunden auch. Was tun?

Die Erfahrung lehrt Auftraggeber von Marketing- und IT-Projekten, das alle Projektbeteiligten trotz vorherigen Jammerns die gesteckten zeitlichen Ziele halten.
Es gehört oft zum "guten Ton", dass das gesamte Projektteam zunächst signalisiert, das die geplanten Timings nicht zu halten sind. Danach "bittet" der Auftraggeber, die Projektleitung um ein neues, gekürztes Timing.
Dem gibt das Projektteam nach und produziert unter Zeitmangel mit Überstunden ein Ergebnis zum gewünschten Termin. Das entspricht dann häufig nicht den geforderten Qualitätsansprüchen.
NEIN legt die Basis für eine echte Anerkennung
Jeder möchte möglichst perfekt im beruflichen Umfeld liefern und sein Können zeigen. Viele Entwickler ist ihre eigene Reputation wichtiger als das Gesamtgewerk. (Das ist der Fall, wenn kein Team, sondern eine Gruppe, am Projekt arbeitet.) Es ist cooler der Retter in der Not als der Nein-Sager zu sein.
Für den Moment sichert das Versprechen, zu liefern, eine größere Anerkennung. Und mancher wird das in dem Moment auch wirklich glauben.
Trotz Drucks des Auftraggebers, des Managements und /oder der Projektleitung NEIN zu sagen, fällt vielen nicht leicht. Mit der je nach Temperament unterschiedlich formulierten Reaktion auf das NEIN umzugehen, gelingt nicht Jedem. Und nur allzu gerne würde man dem aus dem Weg gehen. Und nur allzu gerne würde man einfach der Held sein.
Mit voraussichtlich schlechten Projektergebnis vor Augen ist nach Zieldefinition und folgender Kalkulation der Aufwände ein realistisches Zieldatum zu nennen. Denn Software-Entwicklung lässt sich nicht beliebig beschleunigen. Die Vergrößerung des Teams entschleunigt (nach Brooke's Law):
"Adding manpower to a late software project makes it later"
Genauso werden Überstunden das Problem nicht lösen. Unausgeschlafen und unkonzentriert gelingt der große Wurf nicht.
Verbindlich in Zu- und Absagen sein!
Um dem resultierenden Misserfolg aus dem Weg zu gehen, ist mit allen Projekbeteiligten ein neuer Weg zu definieren:
- Verschiebung des Enddatums
- Pre-Launch mit geminderten Feature-Umfang
- Änderung des Projektmodus
sind mögliche Optionen zur Verhandlung. Der dritte Vorschlag ermöglicht oft deutliche Zeitgewinne (z.B. durch verkürzte Abnahmezeiten, weniger Iterationsschleifen für Teil-Abnahmen, vermehrte Anwesenheit der Auftraggeber beim Projektteam) und wird doch selten bedacht. Die meisten Debatten drehen sich um die Kürzung der Featureliste.
Durch konstruktive, der Zielsetzung entsprechende Vorschläge gewinnt man das Vertrauen der Projektbeteiligten und wird zu einem gleichberechtigten Partner in der Zusammenarbeit.
Gelingt dies, werden die "Bitten" um verkürzte Entwicklungszeiten abnehmen. Es entsteht eine für beide verbindliche, vertrauensvolle Form der Zusammenarbeit.
Dieser Blog-Post ist ein privater Beitrag von Judith Andresen.
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